Aktuelles: Weltweite Premiere - Bitcoin ist offizielle Landeswährung

Weltweite Premiere: Bitcoin ist offizielle Landeswährung

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Weltweite Premiere: Bitcoin ist offizielle Landeswährung

Bitcoin – es gibt ihn seit der Finanzkrise von 2008 – ist eine von tausenden (digitalen) Kryptowährungen, wiewohl die mit dem weltweit größten Marktanteil. In El Salvador hat alles 2019 mit einer zunächst anonymen Spende aus Kalifornien in El Zonte (La Libertad), einem Surferdorf an der Pazifikküste begonnen, wo bereits das gesamte Leben „bitcoinisiert“ ist. Dort kann man mit Bitcoin schon längst nicht nur den Kaffee oder die Pupusas bezahlen, man erhält in dieser Währung auch Belohnungen für das Müllsammeln, es gibt Bitcoin-Automaten, an dem man via einer App Dollar in Bitcoin tauschen oder sich überwiesene Bitcoins gutschreiben bzw. in Dollar auszahlen lassen kann. Mit Jack Mallers, dem Gründer des Bitcoin-money-transfer-startup „Lightning Network Strike“ mit gleichnamiger App, berieten sich im Gefolge von El Zonte des Präsidenten Nayib Bukeles Brüder Ibrajim und Yusef über die Einführung der Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel in El Salvador. Aber auch bekannte Namen der alten Oligarchie wie etwa Muyshont gehören zum salvadorianischen Bitcoin-Management. Über irgendwelche Kenntnisse zu Finanzreformen und eine Finanzstrategie, wohin eigentlich die gehen soll, verfügen sie indes allesamt nicht. Bitcoin-Investoren werden vom Präsidenten mit einem Goldenen Visum belohnt und müssen keine Kapitalertragssteuern zahlen. Während Bukele und die genannten Manager das alles „mega-cool“ (auf salvadorianisch: „chivo“, wie er auch die salvadorianische Bitcoin-Wallet genannt hat) und zukunftsweisend finden, schauen Weltbank und IWF, aber auch das Gros der Bevölkerung höchst skeptisch auf das Experiment, das schon längst keines mehr ist. Ob Weltbank und IWF bei den jetzigen Kreditverhandlungen mit El Salvador noch Korrekturen des gegenwärtig geplanten Bitcoin-Kurses „ausverhandeln“ können, ist ungewiss. Aber warum diese Skepsis, ironischer Weise von den großen Finanzinstitutionen undder ärmeren Bevölkerung? Worin genau besteht das Für und Wider?

Als ein erstes „Für“ wird von Präsident Bukele und seiner Crew angegeben, dass damit El Salvadors Wirtschaft von Weltbank und IWF unabhängig würde: Finanz-Sanktionen von dieser Seite seien so nur noch schwerlich möglich, und El Salvadors enorme Verschuldung von 90 % seines BIPs könne damit leichter abgetragen werden, wenn, ja wenn die beiden Institutionen Bitcoin akzeptierten. Doch auch Bitcoin ist, genauso wenig wie der bisher als alleiniges Zahlungsmittel fungierende US-Dollar, keine nationale Währung, mit der Auf- und Abwertung und entsprechende Handelsvorteile möglich wären – eine eigene Geldmaschine anzuwerfen, ist auch damit nicht machbar. Im Gegenteil, die nationale Zentralbank soll über Bitcoin-Bewegungen keine Kontrolle haben. Selbst der weiterhin gültige US-Dollar als letzte Rückversicherung verleiht der neuen Währung keine autochthone Stabilität, da er ja von einem anderen Land emittiert wird. Außerdem kann bei großflächigen Bitcoin-Verkäufen die Dollar-Reserve beschädigt werden. Stattdessen werden mit dem Bitcoin Geldwäsche bzw. Korruption nun noch leichter möglich als schon zuvor, nicht zuletzt weil über Blockchain-Datenbanken anonym „gezahlt“ wird, sodass Sender und Empfänger nur schlecht nachzuverfolgen sind. Das zweite „Für“, so wird kolportiert, ergebe sich daraus, dass das BIP in El Salvador um 25% stiege, wenn die daraus resultierenden neuen Kapitalgewinne in die Wirtschaft flössen. Diese Rechnung ginge aber nur auf, wenn das Geld auch in die legale Wirtschaft investiert würde, was bei dem großen Umfang der Schattenwirtschaft im Land eine riskante These ist. Ein drittes „Für“ wird auf jene 50% (die Angaben differieren) der Salvadorianer bezogen, die kein eigenes Bankkonto besitzen, die aber nun über die per Internet abwickelbaren Bitcoin-Transaktionen einen Zugang zu Finanzierungen erhalten würden. Doch davon abzuziehen sind schon einmal die 33% der Salvadorianer, die keinen Internetzugang besitzen: In einem Internet-Café Finanztransaktionen zu unternehmen, ist wohl nicht die beste Idee. Als viertes „Für“ wird genannt, dass damit leichter, weil ohne Gebühren Remittances (Gastarbeiterüberweisungen, vgl. letztes Glossar) aus den USA an die Verwandten in El Salvador gesandt werden könnten. Das dazu vorgebrachte Argument lautet: Diese Remittances entsprächen in etwa einem Viertel des BIP, und die Transaktionskosten betrügen etwa 0,7 Prozent (6 Mrd. US-Dollar) desselben. Nur: Diese Kosten zahlten schon immer die in den USA lebenden Verwandten und eben nicht die – ärmeren – Empfänger in El Salvador. Ob eine Verringerung der Überweisungskosten die Verwandten bewegt, mehr Remittances zu schicken, ist offen. Dass 83% der Remittances-Empfänger ihre Überweisungen auch gar nicht in Bitcoin ausgezahlt bekommen möchten, ist nicht gerade unlogisch.

Dies nun hat auch mit dem ersten unbestrittenen „Wider“ zu tun: Das sind zweifelsohne die generell enormen und schnellen Schwankungen bei Bitcoin. Keiner weiß, was Ersparnisse oder der in El Salvador eher karge Durchschnittslohn Lohn von ca. 350 US $ morgen und übermorgen noch wert sind, vielleicht ganz wenig. Als längerfristiges Wertaufbewahrungsmittel wird sich Bitcoin ohnehin nicht durchsetzen, ebenso wenig als Kapital für den Kreditmarkt. Und die Armen haben kaum etwas zum Spekulieren auf der „hohen Kante“. Dafür können die Wenigen, die große Teile an Bitcoin halten, den Kurs maßgeblich bestimmen, wenn sie verkaufen. Doch im Fall der Fälle könnte bei einer Bitcoin-Krise auch die gesamte Wirtschaft bankrottgehen. Einige Unternehmen drohen auch bereits damit, für die Abwicklungen von Geschäften zusätzliche Gebühren zu erheben, um etwaige Verluste aufgrund von Kursschwankungen abzufedern, sodass auch die Lebenshaltungskosten steigen könnten. Ein zweites unbestrittenes „Wider“, den enorm hohen Energieverbrauch der Bitcoin-Blockchains, versucht Bukele mit dem Hinweis zu entkräften, dass die Geothermie der salvadorianischen Vulkane das Problem des „Schürfens“ leicht lösen könne. Aber wie und ab wann, wenn dazu bisher weder die bürokratischen noch die materiellen Vorkehrungen getroffen sind? Experten sprechen hier von Jahren. 78% der salvadorianischen Bevölkerung, so eine Umfrage der renommierten Gavidia-Universität, sehen daher das Unterfangen „Bitcoin“ auch als „nicht“ oder nur „wenig korrekt“ an.

Wie dem auch sei, seit dem 7. September 2021 ist nun Bitcoin offizielle Währung in El Salvador. Jetzt hat dort jeder Bürger die Möglichkeit, Bitcoin unbeschränkt in US-Dollar zu tauschen. Dieser bleibt als Landeswährung erhalten. Über den Wechselkurs entscheidet der Markt allein. Alle Unternehmen, so sie die dafür nötigen technischen Voraussetzungen besitzen, müssen ihn akzeptieren, der Konsument darf es. Auch Steuern können in dieser Währung gezahlt werden. Damit ist El Salvador das weltweit erste Land, das den Bitcoin als offizielle Landeswährung einführt.

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